Young Ambassadors - Youth Exchange and the Special Relationship between Germany and the State of Israel

Die Themenwahl für eine Dissertation wird man mit dem Prädikat "mutig" oder "weniger mutig" begleiten dürfen. Die vorliegende wissenschaftliche Abhandlung zur Erlangung der Doktorwürde von Simone Evelyn Heil verdient für mich zweifelsfrei die Wertung "mutig".

Der Jugendaustausch ist das Kernstück der Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern. In den mehr als sechzig Jahren seit der Gründung des Staates Israel, in den mehr als fünfundvierzig Jahren seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Bundesrepublik Deutschland, haben sich Männer und Frauen unterschiedlicher Generationen engagiert, sich bemüht, eine Grundlage des Vertrauens zwischen der zweiten deutschen Republik und dem Staat Israel zu schaffen. Was bis heute erreicht wurde, verdient die Bezeichnung "Beziehungswunder". Maßgebender Teil dieses Beziehungswunders war und ist der Jugendaustausch.

Mir ist solch geballte, alle Facetten der Beziehungen berührende Literatur zum Thema deutsch-israelischer Jugendaustausch im Rahmen der Beziehungen zwischen Deutschland und Israel bisher nicht begegnet. Es darf davon ausgegangen werden, dass es keine vergleichbare Veröffentlichung gibt. Die Arbeit von Simone Evelyn Heil ist die Sichtbarmachung eines sensitiven Beziehungsgeflechts, das seit seiner Begründung über Jahrzehnte - vor der Aufnahme diplomatischer Beziehungen im Jahre 1965 - begann zu wachsen. Es wurde getragen von Persönlichkeiten in Deutschland, die dokumentieren wollten, dass die zweite deutsche Republik eine andere ist. Es wurde von Persönlichkeiten in Israel getragen, die den Glauben an ein anderes Deutschland nicht aufgegeben hatten.

Während meiner fünf Botschafter-Jahre in Israel hat mich das Leben in der israelischen Gesellschaft immer wieder an jene zentrale deutsche Frage erinnert, mit der meine Erziehung zur politischen Aktivität begonnen hat und auf die ich bis heute keine Antwort weiß:

   +++ Wie konnte die verbrecherische Zwangsvorstellung Hitlers, sein Antisemitismus, der zum Völkermord antrieb, sich in Deutschland durchsetzen?


   +++ Warum hat die Mehrheit sich daran beteiligt, hat zugeschaut, hat weggesehen?

Vor einigen Jahren erinnerte uns die Wochenzeitung "Die Zeit" daran, dass wir in Deutschland im Schatten Hitlers leben. Nicht weil eine Wiederkehr des Nationalsozialismus droht, sondern weil sich der Nationalsozialismus entwirklicht, an Realität verloren hat. Es gibt eine neue Leichtfertigkeit im Umgang mit dem Nationalsozialismus. Nicht, weil der Gegenstand seine Schrecken verloren hat, sondern weil sich der Schrecken vom Gegenstand gelöst hat.

Es geht darum den Gegenstand wach zu halten. Der international renommierte israelische Schriftsteller Amos Oz, in Deutschland mit höchsten Ehren ausgezeichnet, hat mit vielen klugen Sätzen den Gegenstand beschrieben, ihn wach gehalten. Eine Mahnung darf als Grundlage für den Jugendaustausch gelten: "Die Vergangenheit ist immer gegenwärtig und wird immer gegenwärtig bleiben; doch man muss sich daran erinnern, dass die Vergangenheit uns gehört und nicht wir ihr."  

Die Vergangenheit prägt das Deutschlandbild der Israelis wie nichts anderes. Repräsentative Umfragen unter israelischen Jugendlichen zeigten noch 1998 ein wenig vorteilhaftes Bild über Deutschland. Vielen, die nie in Deutschland waren, fiel zu Deutschland zuerst "Auschwitz" und "Hitler" ein. Etwa die Hälfte der befragten Jugendlichen glaubte nicht, dass Deutschland sich unter den israelfreundlichen Staaten befindet, und sah Fremdenhass in Deutschland stärker ausgeprägt als anderswo. Mehr als vierzig Prozent glaubten, dass in Deutschland wieder ein NS-Regime entstehen könnte. Diese Werte haben sich in den letzten Jahren verbessert. Welcher Anteil dem Jugendaustausch zufällt ist nicht bekannt. gleichwohl darf er als beträchtlich eingestuft werden.

Die Arbeit von Simone Evelyn Heil bedeutet:

+++  für uns Jahrzehnte deutsch-israelischer Beziehungsarbeit sichtbar zu machen,


+++ das Wirken und das Engagement einiger Generationen auf deutscher und israelischer Seite in Erinnerung zu rufen,


+++ die Bedeutung des Jugendaustauschs in schwierigstem zwischenstaatlichen Miteinander verdeutlicht zu haben.

[Aus dem Vorwort des Buches]

Simone Heil: Young Abassadors.

Youth Exchange and the Special Relationship between Germany and the State of Israel

Mit einem Vorwort von Rudolf Dreßler

Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2011

351 Seiten,  54,00 €

ISBN 978-3-8329-6671-3